Geschlossene Gesellschaft
(2009)
Jean Paul Sartre
Geschlossene Gesellschaft: Wenn drei Tote sich die Hölle heiß machen
Dass man sich nicht nur im Leben, sondern auch im Jenseits gegenseitig die Hölle heiß machen kann, zeigt das Stück “Geschlossene Gesellschaft“ von Jean Paul Sartre, im Kellertheater der Arche in Neckargemünd. Die Schauspieler der Kleinen Bühne zeigte bei ihrer Premiere am 17. Januar das textgewaltige Stück mit großem schauspielerischen Einsatz.
Das Bühnenbild, ein einfaches Zimmer in dem das Licht nie ausgeht, ganz in schwarz drückte anfangs schon Beklemmung aus. Einziges Mobiliar sind drei Bänke in rot, grün und blau. Keine Fenster und nur eine Tür sind zu erkennen. Ein sogenannter Kellner (überzeugend von Carsten Hildebrand dargestellt) führt nacheinander drei Personen in dieses Zimmer, dessen Tür verschlossen wird. Garcin der Journalist, Ines die Postangestellte und Estelle die eitle Gattin – sie alle haben ihre Geschichte, ihr dunkles Geheimnis, das sie in die Verdammnis führte. Ihnen ist nur eins gemein: Sie sind kürzlich verstorben – und sie wissen, dass ihnen die Hölle bevorsteht. Um so heftiger kommt die klaustrophobische Stimmung zur Geltung, als den Personen im Raum klar wird, dass es kein Entrinnen gibt. Eine Erkenntnis sickert ins Bewusstsein: Dies ist kein Wartebereich, keine Zwischen-, es ist die Endstation. Eine Welt ohne Schlaf, sogar ohne Blinzeln. Eine Welt, in der es keine Unterbrechung und keine Veränderung mehr gibt. Das Licht verlischt nie, kein Stuhl lässt sich verrücken.
Auf Gedeih und Verderb einander ausgeliefert beginnt der Höllentanz: der Selbstbetrug, die Spiele und Fluchtversuche. Jeder dürstet nach der Hilfe eines der beiden anderen, aber in der Annäherung muss er unweigerlich den Dritten verletzen.
Garcin, Ines und Estelle ist eigentlich klar, dass sie die Solidarität der anderen jetzt brauchen. Sie waren in ihrem irdischen Leben keine Engel, und auch jetzt können sie nicht über ihre Schatten springen. Ihre Persönlichkeiten scheinen so fest gefügt wie ihre Umgebung. Die Freiheit, einen Teufelskreis zu durchbrechen, haben sie mit ihren Leben hinter sich gelassen. Unweigerlich übernehmen sie für die jeweils anderen die Rolle des Folterknechts, machen sich im wahrsten Sinne des Wortes die Hölle heiß. Die drei erkennen, dass sie selbst der Henker füreinander sind: "Die Hölle, das sind die Anderen". Sie beschließen zu Schweigen, um den Plan von "denen" zu durchkreuzen. Der Versuch misslingt kläglich. Innerhalb der Gruppe ergeben sich ständig wechselnde Bündnisse. Als Garcin versucht, die Tür zu öffnen, wird er von Ines und Estelle ausgelacht. Als die Tür sich wieder erwarten öffnet, ist keiner fähig zu gehen. In ihrer Verzweiflung versucht Estelle Ines mit einem Brieföffner umzubringen, aber dafür ist es zu spät, sie sind ja schon tot. Sie werden ewig zusammenbleiben und sich gegenseitig die Hölle bereiten. Nach dieser erschütternden Erkenntnis findet Garcin als erstes wieder Worte: Also weitermachen!
Rudi Reimitz inszenierte die Dreiecksbeziehung mit viel Spannung, die sich immer wieder in energiegeladenen Tangosequenzen entlädt. Die Schauspieler leisten Beachtliches. Fein aufeinander abgestimmt tragen sie das Spiel, in dem Annäherung und Ablehnung, Anklänge von freundlicher Solidarität und unvermittelter, bodenloser Hass aufeinanderprallen. Der Tango schlägt stellenweise ins Aggressive um. Nach und nach fallen die Masken.
Barbara Kirchner als lesbische Ines hat es genossen, andere Leiden zu sehen. Sie tyrannisierte ihre junge Lebensgefährtin und trieb sie in den Freitod. Sie überzeugt mit den sanften Tönen, mit denen sie die schöne Estelle (Mirjam Rückert) zu umgarnen versucht, ebenso wie in ihrer anderen Persönlichkeit, die Peter Kulczynski als Garcin gegenüber zum Tragen kommt: hochintelligent, kühl – ein manipulatives Biest. Mirjam Rückert als Estelle hat ihr neugeborenes Kind vor den Augen ihres Liebhaber getötet und damit seinen Selbstmord verschuldet. Sie gibt das Unschuldslamm und setzt alles daran, sich an Garcin heranzumachen. Zum Schluss zeigt Mirjam Rückert, wie hart und böse sie sein kann.
Peter Kulczynski als Garcin steht den Frauen in punkto Unaufrichtigkeit in nichts nach.
Er hat seiner Frau das Leben zur Hölle gemacht und sich nicht für seine Ideen eingesetzt, sondern ist einfach vor dem Krieg davongelaufen.
Sartres philosophisches Stück ist unter der Regie von Rudi Reimitz und seiner Assistenz mit Bärbel Zimmermann mehr als unterhaltsam. Die großartige Leistung der Schauspieler sorgte in den bereits vergangenen Aufführungen für volles Haus.
Mitwirkende: Carsten Hildebrand, Barbara Kirchner Peter Kulczynski, Mirjam Rückert
Regie: Rudi Reimitz